Gesetzklar
Bund BGBl: BGBl Erstverkündet: 12. September 1950
§ 139

§ 139 – Materielle Prozessleitung

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten. (2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien. (3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen. (4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. (5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Kurz erklärt

  • Das Gericht muss mit den Parteien über alle relevanten Fakten und rechtlichen Aspekte sprechen und Fragen stellen.
  • Es soll sicherstellen, dass die Parteien vollständige Informationen geben und Beweismittel benennen.
  • Das Gericht darf seine Entscheidung nur auf Punkte stützen, die nicht von den Parteien angesprochen wurden, wenn es darauf hinweist und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt.
  • Hinweise des Gerichts müssen frühzeitig gegeben und im Protokoll festgehalten werden.
  • Wenn eine Partei sofort nicht antworten kann, kann sie eine Frist beantragen, um ihre Erklärung schriftlich nachzureichen.